Dieses Blog durchsuchen

Helga König im Gespräch mit Nikolas Maltezos über seine Reise nach Indien

Lieber Nikolas Maltezos, dieser Tage haben Sie auf "Buch, Kultur und Lifestyle" Ihre erste Gastkolumne verfasst und zwar über spezielle Reiseeindrücke auf Ihrer Indienreise, von der Sie gerade zurückgekommen sind.


Für die Leser des Onlinemagazins nicht uninteressant zu wissen: Sie wurden auf den Prinzeninseln nahe Istanbul als Grieche (dort eine kleine Minderheit) geboren und leben seit Ihrem 4. Lebensjahr in Deutschland. Hier haben Sie an der Johann- Goethe-Universität in Frankfurt Rechtswissenschaften studiert.

Zu Ihrer Reise:

Helga König: Sie sind nicht ganz unvorbereitet nach Indien gereist, denn Sie kannten Ihre Gastgeber aufgrund von Besuchen, die diese immer wieder nach Frankfurt führten. Hatten Sie vor Ihrer Reise schon konkrete Pläne, was Sie in Indien sehen oder erkunden wollten jenseits von touristischen Highlights?

 Nikolas Maltezos
Nikolas Maltezos:  Die touristischen Highlights hatte ich bereits in 2014 "abgehakt", von daher verspürte ich keine Notwendigkeit, diese nochmals zu besuchen. Die Intention diesmal nach Indien zu reisen, war keine, die mit "Urlaub" im eigentlichen Sinne zusammen hing. Nachdem meine Frau leider im März dieses Jahres an Krebs gestorben ist, wollte ich  nur noch weg aus Deutschland, um den Kopf freizubekommen. Indien hat sich wegen seiner Exotik angeboten, zudem wusste  ich  im Voraus, auch wenn ich Freunde besuche, werde ich doch genügend Freiraum haben, um meine Gedanken zu sortieren. Es ging mir nicht darum, das Land zu entdecken. Im Nachhinein muss ich feststellen, dass ich doch Einiges in Erfahrung gebracht habe, ohne deshalb speziell auf Entdeckung habe gehen zu müssen. Dort in Indien drücken sich die Eindrücke einfach auf. Da meine Freunde, Bekannten und meine Verwandten zuvor bereits angemahnt hatten, dass sie an meinen Erlebnissen teilhaben wollten, ganz besonders meine Familie, postete ich Eindrücke vor Ort auf Facebook.

 Helga König
Helga König: In welcher Region haben Sie sich primär aufgehalten und was waren Ihre ersten, spontanen Eindrücke am Tag der Anreise? 

Nikolas Maltezos:  Hauptsächlich habe ich mich in der Umgebung um Gurgoan aufgehalten. Das ist eine Stadt, die südlich von Delhi liegt. Eine tatsächliche Entfernung zwischen den beiden Städte ist allerdings nicht zu erkennen. Delhi hat sich mittlerweile so ausgebreitet, dass ich davon ausgehe, dass Gurgoan wahrscheinlich in näherer Zukunft eingemeindet wird. In Gurgoan leben vorwiegend Menschen, die in Indien zum Mittelstand zählen. Deshalb auch gibt es Wohnanlagen, die durch Sicherheitskräfte bewacht werden. Normalerweise kommt man ohne Anmeldung und Ausweiskontrolle nicht rein. 

Ich kam in Indien um ca. 02.00 Uhr morgens an. Im Vergleich mit  europäischen Verhältnissen sah der Flughafen sehr geschäftig aus. Läden und Kioske waren geöffnet, insofern war Einkaufen ohne weiteres möglich. Die Straßen waren voller Autos, also viel Verkehr, etwa so wie während des Berufsverkehrs in Frankfurt. Trotz der vorgerückten Stunde waren noch zahlreiche Geschäfte offen, was ich sehr begrüßt habe. In einem kleinen Kiosk von "Costa Coffee" habe ich einen durchaus trinkbaren Cappuccino bekommen. Das war auch dringend nötig, denn leider war der Kaffee im Flieger vom Jet Airways absolut nicht trinkbar. 

Mein erster Eindruck: Das Leben dort legt scheinbar keine Pause ein. Allgemein sehe ich so etwas eher kritisch. Aber in diesem Moment war ich spontan froh, die Strapazen meiner Reisen ein wenig lindern zu können. 

Helga König: Sie haben Fotos von Menschen gemacht, die am Straßenrand handwerklichen Kleinbetrieben nachgingen, so beispielsweise von einem Schneider, der mit seiner noch nicht elektrisch betriebenen Nähmaschine seinem Beruf nachging. Waren solche Eindrücke für Sie neu oder haben Sie auf Reisen anderenorts schon Ähnliches gesehen?

 Nikolas Maltezos
Nikolas Maltezos: Bei meiner ersten Indienreise war ich natürlich von dem Land derart fasziniert und überwältigt von den neuen Eindrücken. Da war auch kindliches Staunen dabei, was natürlich dazu führt, dass  man Manches nicht oder nur verzerrt wahrnimmt. Diesmal war mein Hinschauen etwas bewusster und abgeklärter. Und es war für mich persönlich auch eine kleine Reise zurück in die Vergangenheit. Viele der Szenen haben mich in meine Kindheit katapultiert, als ich als kleiner Junge an der Hand meiner Mutter durch die Gassen von Istanbul gelaufen bin. 

Es waren sehr viel Handwerk und Kleinbetriebe zu sehen. Mich hat schon immer fasziniert, was Menschen mit ihren Händen und etwas Werkzeug herstellen können. Gut, in meinem Post "Sonntags-und Kinderarbeit" ist die Situation etwas anders. Der kleine Junge, soweit ich mich erinnern kann, mischte etwas zusammen. Was man im Bild nicht sehen kann, dass die Szene  sich auf einer Baustelle  abspielte. Das Wohnen an einer Baustelle ist in Indien nichts Ungewöhnliches. Der Grund hierfür ist, dass die Versorgung  mit Wasser  dort gesichert ist. 

Helga König: Sind sie bei Ihren Erkundungen in Delhi häufig arbeitenden Kindern begegnet und falls ja in welchem Zusammenhang? 

Nikolas Maltezos: Ich bin  kurz vor "Diwali", dem Lichterfest, nach Indien gereist. Da waren natürlich auf den Straßen viele Kinder zu sehen, die Blumen an einer Schnur zu einem Kranz aufzogen und dann am Straßenrand verkauften. Nach "Diwali", waren wiederum Kinder zu sehen, die an Ampeln an Kreuzungen allerlei verkauft haben, dabei teilweise die kleinen Geschwister noch im Arm haltend. Verkauft wurde alles Mögliche (Ballons etc.) Bei älteren Kindern konnte man sog. Gadgets erwerben, wie z. B. USB Stecker; einmal sogar Putzwedel. Natürlich kann man sich auf der Straße auch Kokosnüsse zuschneiden lassen, um das Kokoswasser zu trinken, was auch zumeist von Kinder erledigt wird. 

 Helga König
Helga König: Haben Sie bettelnde Kinder erlebt, so wie man diese in manchen Ländern Lateinamerikas erleben muss oder Kinder, die auf der Straße leben und dort auch schlafen? 

Nikolas Maltezos:  Bettelnde Kinder sind leider immer wieder zu sehen.  Dabei  sind Kreuzungen  ein typischer Aufenthaltsort. Wenn man als Europäer unterwegs ist, kann es sein, dass man auch offener Straße angebettelt wird. Um das eigene Gewissen zu beruhigen, habe ich jede Menge 10-Rupien-Scheine dabei gehabt, deren Gegenwert einigen Cent entspricht, um sie im Bedarfsfall zu verteilen. Am Straßenrand sieht man auch Hütten und Verschläge, in denen Familien leben. Zudem kann man beobachten wie Familienleben am Straßenrand stattfindet. Es sind  nackte Kinder oder solche mit verschlissener Kleidung sehen. Dass machte mich natürlich sehr nachdenklich, denn im Grunde ist es ja nur Zufall, dass uns ein solches Schicksal erspart blieb.  

Helga König: Wie gehen Erwachsene in Indien mit Kindern um, gibt es dort überhaupt eine Kindheit, die einer Kindheit in Europa gleicht? 

 Nikolas Maltezos
Nikolas Maltezos: In Europa ist die Vorstellung von Kindheit sehr romantisiert, meine ich. Vor allem, wenn man sie mit dem vergleicht, was ich in Indien gesehen habe. Kinder gehen arbeiten. Ich habe Schilder an Toren von Fabriken gesehen, die strikt darauf hinweisen, dass dort keine Kinder eingestellt werden, was im Umkehrschluss für mich bedeutet, dass Kinder in Fabriken arbeiten, wenn die Kontrolle des Staates nicht dorthin reicht. Aber es scheint auch ein Klassenproblem zu sein. Eltern möchten, dass ihre Kinder die bestmögliche Schulausbildung bekommen und sie setzen sich bis  zur Selbstaufopferung dafür ein. Eltern, denen die Mittel fehlen, schicken Kinder in öffentliche Schulen. Eltern, die sich selbst das nicht leisten können, müssen ihre Kinder zur Arbeit schicken. 

Es gibt in Delhi die sog. Schulen unter der Brücke (School under the Bridge). Dort wird den Kindern armer Leute und von Tagelöhnern kostenfrei eine schulische Ausbildung ermöglicht und so versucht, den Teufelskreis von Armut und fehlender Bildung zu durchbrechen. Leider hatte ich persönlich nicht die Gelegenheit, dieses Projekt zu besuchen. 

Bei allem sind Eltern in Indien genauso überfordert mit der Erziehung ihrer Kinder wie hier. Auch dort spielen Kinder oder hängen den ganzen Tag am Smartphone, ganz so wie in Deutschland. Die Auswirkungen werden wir in ein paar Jahren beobachten. Ich bin gespannt darauf. Sowohl in Deutschland als auch in Indien. Das Grundprinzip "Eltern-Kinder" scheint also universell zu sein. Die Erscheinungsformen divergieren vielleicht, aber es bleibt immer das gleiche Prinzip. 

Helga König: Wie Sie mir berichteten, haben Sie auch eine Schule dort aufgesucht. Welche Eindrücke konnten Sie dort gewinnen? 

Nikolas Maltezos Die "Nehru Academy" in Meerat. In dieser sind Vor- und Grundschule integriert. Das war ein besonderes Erlebnis, weil es eigentlich nicht auf meinem Programm stand. Das war völlig spontan. Die Kinder kommen im Alter vom drei Jahren in die Schule (quasi eine Vorschule) und zwar am Vormittag. Sie werden vor allem in Englisch unterrichtet. Mit zunehmendem Alter wird der Unterricht ausgeweitet. Das Gebäude wirkt karg und die Ausstattung schlicht. Die Lehrer sind auffallend engagiert. Die Kinder starrten mich verwundert an, was mich ziemlich irritierte. Vineet, der mich durch die Schule geführt hat, sagte mir, dass die Kleinen wahrscheinlich zum ersten Mal einen Europäer zu Gesicht bekommen hätten. Das macht natürlich neugierig. Wie auch immer, die Lehrer sind bemüht, den Kindern die bestmögliche Ausbildung zu geben. Ich denke, das ist es, worauf es letztlich am meisten ankommt. 

 Helga König
Helga König: Wie darf man sich eine Stadt (Delhi) vorstellen, in der laut Wikipedia 12,5 Millionen Einwohner leben? 

Nikolas Maltezos: Das Zentrum von Delhi ist wirklich schön. Es wartet mit einer großen Parkanlage zwischen Regierungssitz und dem sog. Indian Gate auf, einem Triumphbogen, ähnlich wie in Paris, wo die Menschen flanieren. Der Verkehr ist dort sehr stark reguliert und die Polizeipräsenz auffallend. Der Eindruck entsteht, dass jede Verkehrssünde geahndet wird. Als Beifahrer im Auto bemerkt man die Anspannung des jeweiligen Fahrers sofort. Da wird nicht mehr so aggressiv gefahren. Man nimmt sogar, was im sonstigen Straßenverkehr nicht üblich ist, Rücksicht auf die übrigen Verkehrsteilnehmer. Sobald man dieses Zentrum verlässt, wird es schnell chaotisch und überfüllt.

Wenn man im sog. Alten Delhi durch die engen Gassen zu Fuß geht, ist es mit Schlendern schlecht bestellt. Da muss man schwer kämpfen, um nicht den Anschluss an die Gruppe zu verlieren.

Helga König: In der Region, wo Sie sich aufhielten, leben zumeist Hindus. Sie selbst waren bei Sikhs zu Gast, die dort eine religiöse Minderheit sind. Die Sikhs lehnen das indische Kastensystem ab. Konnten Sie erkennen, wie sich diese aus unserer Sicht positive Haltung im Alltag bemerkbar macht?  

Nikolas Maltezos:  Die Freunde, die ich besucht habe, sind sehr gläubig und wie alle Sikhs betont stolze Menschen. Ich denke man tut den Sikhs nicht Unrecht, wenn man sie als die eigentliche Kriegerkaste Indiens bezeichnet. So jedenfalls mein Eindruck. Eines der ersten Dinge, die man von einem Sikh zu hören bekommt, ist, dass das heutige Indien vor allem den Sikhs zu verdanken ist. Während Buddhisten und Hinduisten wohl eher pazifistisch ausgerichtet sind, haben die Sikhs mit ihrem Leben und mit ihrem Blut Indien gegen den Einfall der Mongolen verteidigt. Das ist scheinbar noch heute tief in ihrem Bewusstsein verankert. Zum anderen ist es so, dass die Religion selbst jedem Gläubigen Sikh das Tragen des "Kirpan" (Schwert) auferlegt, damit ein jeder immer bereit ist, seine Religion zu verteidigen. Das gilt auch für die Frauen. 

Morgens kam ein "Priester" in das Haus meiner Gastgeber, der sich in einen kleinen Raum, in dem sich ein Altar befand, zurückzog und aus dem "heiligen Buch" vorlas. Die Familie zog sich ebenfalls in den Raum zurück, um für ein paar Minuten zu beten bzw. sich dort zu besinnen. Danach wurde gefrühstückt. Dies ist wichtig, ohne Frühstück geht man nicht aus dem Haus. Das aber ist ein weltlicher Aspekt, keiner, den die Religion auferlegt. Und es gibt noch, vor allem bei den Männern, die sichtbaren Glaubensbekenntnisse. Gläubige Sikhs schneiden sich nie die Haare, rasieren sich nicht und tragen einen Metallreif am Handgelenk. Im Panjab, wo die Sikhs ursprünglich beheimatet sind, sieht man noch das öffentliche Tragen des Krumdolchs. Im Selbstverständnis dieser Religion- ich sagte es bereits- muss man jederzeit in der Lage sein,  seine Religion zu verteidigen. 

Im "Diwali" findet zu Hause ebenfalls eine Zeremonie statt. Dann kommen Musiker, die Verse aus dem "Heiligen Buch" der Sikhs spielen. Hierzu muss man wissen, dass es in dieser Religion keine Liturgie wie in der katholischen oder orthodoxen Kirche gibt, sondern die Verse aus dem Buch werden musikalisch, immer durch eine Dreierkombo, untermalt und gesungen. Die Gläubigen setzten sich hinzu und lauschen bedächtig. 

Helga König: Welche bleibenden Eindrücke haben Sie vom "Goldenen Tempel" in Amritsar? 

Nikolas Maltezos: Der Goldene Tempel ist die Wallfahrtsstätte der Sikh. Eine beeindruckende Anlage, die einen ins Staunen versetzt. Noch erstaunlicher empfand ich allerdings  die Atmosphäre in der Tempelanlage selbst.  Da gibt es beispielsweise Tempelwachen, die in den traditionellen Farben des Panjab gekleidet sind, also entweder in Blau oder Gelb. Die Wachen treten in voller Montur an, d.h. bewaffnet mit Lanze und Schwert. Beide erweckten bei mir nicht den Eindruck, als seien sie bloße Dekoration. Entsprechend sind die Besucher oft in den traditionellen Gewändern gekleidet. Um die eigentliche Attraktion zu sehen, ist stundenlanges Anstehen gefragt. 

Die Menschen warten gut zwei Stunden, um ins Innere des Tempels zu kommen. Für Kranke, besonders  für gehbehinderte Menschen, gibt es die Möglichkeit an den Schlangen vorbei ins Innere des Tempels zu gelangen. Leider ist im Inneren des Tempels das Fotografieren nicht erlaubt. Aber dort, wo sich viele gläubige Menschen versammeln, liegt auch etwas Besonders in der Luft. Die Demut der Gläubigen ist förmlich greifbar. Die Menschen gehen dort im Tempel anders miteinander um. Man ist freundlich, zuvorkommend. Man lauscht bedächtig den Gesängen. Es scheint so zu sein, als habe man jegliche Aggressivität an der Pforte abgelegt. 

Wenn man mit Sikhs über den "Goldenen Tempel" spricht, dann kommt man unweigerlich  auch auf den Pogrom vom 02.11.1984 zu sprechen. An diesem Tag wurde die damalige Ministerpräsidentin Indiens Indira Gandhi durch ihren Leibwächter, einem Sikh, ermordet. Daraufhin wurden vor allem in Delhi die Sikhs gejagt und getötet. Es kamen damals ca. 3.000 Sikhs zu Tode. Das Datum ist noch tief im Bewusstsein der Sikhs verankert und kritische Anmerkungen zu diesem Thema sollte man tunlichst in ihrer Anwesenheit vermeiden. Der Ermordung Gandhis war das Erstürmen des "Goldenen Tempels" vorangegangen als Reaktion auf die Abspaltungsbestrebungen in Panjab, deren geistiges Zentrum der "Goldene Tempel" war. Gandhi ließ den Tempel durch das indische Militär stürmen. Das haben ihr die Sikhs nie verziehen. 

Die Stadt Amritsar ist auf den Tourismus mit den Gläubigen eingestellt. Sobald man am Flughafen ankommt, stehen Busse bereit, die jeden kostenlos zum Tempel bringen. Außerhalb des Tempels sieht man kaum etwas anderes als Souvenirläden. Da der Tempel selbst nur mit bedecktem Kopf betreten werden darf, verteilen Bettler Kopftücher und hoffen auf eine milde Gabe. Als Europäer ist man außerhalb der Tempelanlage besonders exponiert. Man wird von jedem Straßenverkäufer und Bettler angesprochen. Bei allem aber hält sich die Aufdringlichkeit noch im Rahmen. 

Helga König: Anders als im Hinduismus akzeptieren Sikhs die Notwendigkeit materieller Bedürfnisse und deren Befriedigung. Dabei lehnen sie Askese entschieden ab und begreifen ehrliche Arbeit als ein Weg zur Erlösung. Entspricht dies Ihrer Wahrnehmung vor Ort? 

  Nikolas Maltezos
Nikolas Maltezos: Die Sikhs habe ich als hart arbeitende Menschen erlebt, die Verständnis dafür haben, dass Arbeit auch das Moment der sozialen Verantwortung beinhaltet. Es geht nicht nur um das Auskommen und um den persönlichen Konsum. Es geht auch um das Bewusstsein, dass man für die Menschen, die für einen arbeiten, verantwortlich ist. Dieser Ansatz gefällt mir. 

Helga König: Welche Eindrücke hatten Sie vom Essen und Trinken in Indien. Gibt es Besonderheiten, die neugierig machen? 

Nikolas Maltezos:  Die indische Küche ist so vielfältig wie das Land selbst. Generell gilt, je südlicher die Küche beheimatet ist, umso schärfer ist sie. Einen vollständigen Überblick konnte ich mir auf dem Indian Foodfestival verschaffen. Dort habe ich mich durch sämtliche Küchen probiert. Ich weiß nicht, was ich jetzt besonders hervorheben soll. Alles war sehr lecker und überaus reich an Gewürzen. Scheinbar kennt die traditionelle indische Küche nicht die Notwendigkeit des Frühstücks als gesonderte Mahlzeit an. Ob man frühstückt oder zu Mittag speist, die Gerichte  ähneln einander  und es wird stets sehr scharf gegessen. Das kann einem Europäer auf den Magen gehen. Wenn man die Möglichkeit hat, sollte man sich nicht scheuen, kontinentales Frühstück zu ordern. 

Helga König: Mit welchen für Sie wichtigen Erkenntnissen sind Sie von Ihrer Reise zurückkehrt?

 Nikolas Maltezos
Nikolas Maltezos: Es fasziniert mich stets auf Neue zu beobachten, dass Menschen trotz ihrer Verschiedenheit doch sehr viele Gemeinsamkeiten haben: so etwa die Sorge um unsere Kinder, um die Mitmenschen, um unsere Angehörigen und wie jeder sich dieser Herausforderung stellt. Es macht mich traurig zu erkennen, wie man sich generell auf die Unterschiede fixiert und diese, meiner Meinung nach überproportional, betont. 

Indien ist ein Land mit einer langen Geschichte und vielem Sehenswerten, das zu erkunden, ein ganzes Leben benötigt. Gastfreundschaft wird groß geschrieben, was mitunter sehr schmerzhaft werden kann, vor allem wenn sich diese im Offerieren von Essen äußert. Da stehen Inder den Griechen in nichts nach. Ich würde so weit gehen zu behaupten, dass Inder in diesen Punkt den Griechen überlegen sind. 

Auch eine Erkenntnis ist, dass angesichts des Leids und der Armut, die ich in Indien gesehen habe, aus dem Umstand bzw. dem Zufall als Europäer in einem wirtschaftlich solventen Land zu leben, die Verpflichtung erwachsen muss, weniger Privilegierten zu helfen. Es wäre wünschenswert, wenn wir alle versuchten, unsere Welt zu einer besseren zu machen.  

Lieber Nikolas Maltezos, ich danke Ihnen für das aufschlussreiche Interview.

Ihre Helga König

Fotos: Nikolas Maltezos

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen